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Bricht das deutsche Stromnetz zusammen, wenn alle Elektroautos fahren?

Elektroautos – wenn auch langsamer als von der Politik anfangs befürwortet – setzen sich in Deutschland langsam durch. Obwohl nur ein kleiner Prozentsatz des Pkw-Bestands des Landes rein elektrisch fährt, haben bereits mehr als ein Fünftel der 2022 neu zugelassenen Autos einen rein elektrischen Antriebsstrang. Viele Menschen freuen sich darüber, da zumindest die Autos vor Ort nicht stinken, aber viele äußern berechtigte Bedenken zu Rohstoffen, Arbeitsplätzen, Umweltauswirkungen und Stromverbrauch. Ob das deutsche Stromnetz in der Lage sein wird, die jetzt schnell wachsende Elektro- (und Plug-in-Hybrid-) Autoflotte abzudecken, ist Gegenstand vieler Debatten.

Um zumindest eine grobe Ahnung zu haben und nicht den Meinungen von Publizisten und Politikern ausgeliefert zu sein, reicht es aus, einige öffentlich verfügbare Daten zu vergleichen. Diese Daten sind:

1: Wie viele Autos gibt es bundesweit? Antwort: Die deutsche Pkw-Flotte besteht aus rund 48 Millionen Pkw. Das ist alles, was -im Moment nur gedanklich- durch Elektroautos ersetzt werden soll.

2: Wie viel fährt ein durchschnittliches Auto pro Jahr? Statistisch gesehen sind das 13.700 km/Jahr.

3: Wie viel verbraucht ein Elektroauto auf einem bestimmten Streckenabschnitt? Hier hilft übrigens die Statistik des ADAC (Deutscher Automobil Club), aufgeschlüsselt nach Typen sehr aufschlussreich – und was noch interessanter ist – Ladeverluste inklusive: https://www.adac.de/rund-ums- fahrzeug/elektromobilitaet/tests/stromverbrauch-elektroautos-adac-body/ .

Basierend auf diesen Daten habe ich den Durchschnitt mit 18 kWh/(100 km) angenommen. Dies sind keine offiziellen Daten, sondern meine persönliche Einschätzung anhand des Artikels.

4: Wie viel Strom verbraucht Deutschland derzeit? Dies ist notwendig, um die Daten, die für Elektroautos berechnet werden, vergleichen zu können. Die deutsche Stromproduktion beträgt ca. 550 TWh pro Jahr (Terawattstunde = 1.000.000.000.000 Watt*Stunden). Das ist eine Größe, die wir als Durchschnittsmensch nirgendwo einordnen können, aber wenn wir die DockCalc-Software verwenden, können wir sie in etwas greifbarere Dimensionen umrechnen, indem wir sie zum Beispiel durch die Anzahl der Bevölkerung dividieren, um ein Pro-Kopf-Verhältnis zu erhalten: Ergebnis: ~550 kWh/Monat/Person, also ~6600 kWh/Jahr/Person (dies kann schon mit unserer Stromrechnung verglichen werden).

Ich habe die DockCalc-Software vorwiegen deshalb entwickelt (und verwende sie deshalb sehr gerne), weil sie es sehr einfach macht, mit nicht ganz intuitiven Messeinheiten zu kalkulieren, um greifbare Ergebnisse zu erhalten.

Wenn ich jetzt die obigen Mengen nehme, multipliziere, was in Punkt 1, 2 und 3 steht, und dann mit Punkt 4 vergleiche, dann kann ich mir eine Meinung bilden.

Mal sehen: 48.000.000 * 18 kWh/(100 km) * 13.700 km/Jahr = 119,7 TWh/Jahr

Die deutsche Stromerzeugung beträgt 550 TWh/Jahr.

Die beiden Größen wurden auf dieselbe Maßeinheit gebracht, damit sie miteinander verglichen werden können. Würden also alle Pkw in Deutschland elektrisch betrieben, würde der Stromverbrauch des Landes um etwa 20 % steigen.

Schauen wir uns die DockCalc-Berechnung an:

Sind das 20 % gute oder schlechte Nachrichten? Teils-Teils: Diese Energie ist keineswegs vernachlässigbar, aber sie ist nicht so groß, dass die Aufgabe sofort unmöglich erscheint. Vor einigen Jahren lag sogar der nationale Verbrauch über 600 TWh/Jahr.

Diese kleine Rechnung befasste sich nur mit der Gesamtenergiemenge und vernachlässigte damit deren Preis, zeitliche Verteilung, Quelle und Umweltwirkung.

Denjenigen, die ihr Interesse geweckt haben, schlage ich zwei Dinge vor:

1: Sehen Sie sich die Details, Schwankungen und Zusammensetzung der deutschen Energieerzeugung auf dem folgenden Link an, da er sehr aufschlussreich ist: https://www.energy-charts.info/charts/power/chart.htm?c=DE&year=2023&week =01

2: Laden Sie DockCalc herunter und führen Sie alle möglichen Berechnungen mit Ihren eigenen Daten und Statistiken durch. Ich hoffe, dass die ersten Erfolge Lust aufs Rechnen machen und wenn Sie diese sogar mit anderen teilen, sehe ich auch, dass meine in DockCalc investierte Arbeit nicht umsonst war 😊.

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2 Kommentare

  1. sehr gute Übersicht! wieviel weniger Strom wird an Wochenende oder Feiertagen gebraucht? da Firmen und Büros überwiegend geschlossen sind.

    1. Hallo Herr Eichner,
      vielen Dank für den Kommentar! Die Stromverbrauchswerte sind sehr schwankend und zeigen zwar eine grobe Periodizität, jede Woche ist unterschiedlich. Ich habe mich selbst hier inspirieren lassen: https://www.energy-charts.info/charts/power/chart.htm?c=DE&year=2023&week=03. Da findet man sehr schöne farbige Darstellungen darüber, wie die Stromerzeugung und der Bedarf schwankt. Es lohnt sich Wochen im Winter und auch im Sommer anzuschauen, weil die Fotovoltaik-Anteile sehr unterschiedlich sind. Schön wäre, wenn Elektrofahrzeuge die natürlichen Schwankungen unterstützen könnten. Das geht natürlich durch eine Rückspeisefähigkeit (ich bin mir nicht sicher, dass alle gerne mitmachen würden), aber die “halbe Miete” ist schon da, wenn die Autos die Ladezeiten an die Energie-Angebot-Wellen anpassen könnten (dann laden, wenn gerade viel Strom aus erneuerbaren Quellen im Angebot ist). Ich hoffe, dass ich helfen konnte.
      VG.
      Ákos Semsey

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